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Flaubert ist entschuldigt

Die Liste von Persönlichkeiten, die unsere Gegend besuchten, ist lang: Felix Mendelssohn Bartholdy, Franz Liszt & Marie d’Agoult, Leo Tolstoi, August Strindberg, John Muir, Walter Benjamin und viele andere mehr. Alle berichteten begeistert von der Rigi, von Weggis oder Vitznau. Eine berühmte Persönlichkeit hingegen langweilte sich auf Rigi Kaltbad zu Tode: Gustave Flaubert. Er ging eigentlich guten Mutes auf Rigi Kaltbad. Er wolle sich für drei Wochen ein wenig „entneurologisieren“, schrieb er 1874 an George Sand. „Aber einmal dort oben angekommen und eingerichtet in Rigi Kaltbad, da brach das Nörgeln und Schimpfen einfach nicht mehr ab…. Er langweile sich zu Tode. Wenn das so weitergehe, stürze er sich lieber in einen Abgrund. Es gewittere zu viel. Die elektrischen Klingeln im Hotel reizten seine Nerven. Eine Gegend wie diese sei nur interessant für Botaniker, Geologen oder Verliebte. Er unternehme lange Spaziergänge, habe aber trotzdem keinen Appetit. Vor  allem die hässlichen und schlecht gekleideten deutschen Frauen versperrten ihm die Aussicht (eine Aussicht, auf die er aber absolut keinen Wert legte!). Aber auch die Engländer seien unerträglich.“ (aus: Piatti Barbara. Von Casanova bis Churchill. Verlag Hier und Jetzt. Zürich 2016, S. 253). Flaubert war ein Städter, in Rouen aufgewachsen und stets eng mit Paris verbunden. Und wie sich an seinem berühmt gewordenen Roman „Madame Bovary“ erkennen lässt, lagen seine Interessen nicht gerade in Naturbeobachtungen, oder besser gesagt, eher in Naturbeobachtungen der anderen Art. Denn „Madame Bovary“ trug ihm eine Anklage von der Zensurbehörde wegen Verstosses gegen die guten Sitten ein. Die Schönheit von Rigi Kaltbad „entneurologisiert“ nicht jedermann. Monsieur Flaubert ist entschuldigt.

Inventarnummer 13298, Regionalmuseum Nr. 562 / Karin Bernath

 

Bild: https://www.deutschlandfunk.de/200-geburtstag-von-gustave-flaubert-100.html